Schadet der Handelskrieg zwischen den USA und China dem europäischen M&A-Markt?
Einst zeichneten sich Trompetenklänge dafür verantwortlich, dass die starken Mauern des biblischen Jericho einstürzten. Wird sich in naher Zukunft dieses Szenario wiederholen, und Trump´sche Erlässe den Handelskrieg der USA mit den Chinesen soweit befeuern, dass der europäische (und folglich auch der deutsche) M&A – Markt erheblichen Schaden nimmt
Die nackten Zahlen sind soweit ernüchternd. Chinesische Investoren haben im ersten Halbjahr des Jahres 2019 die Anzahl der Unternehmenskäufe in Europa drastisch zurückgefahren. Um insgesamt 28 Prozent sanken die Unternehmenszukäufe beziehungsweise Unternehmensbeteiligungen von Firmen aus dem Reich der Mitte auf nunmehr 81 Transaktionen, ließ die renommierte Unternehmensberatung Ernst & Young verlauten. Und hierbei handele es sich vornehmlich um kleinere Deals, denn das Investitionsvolumen sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um stolze 84 Prozent auf 2,4 Milliarden Dollar gefallen.
Der deutsche M&A – Markt ist zwar nach wie vor das Kerngebiet der Investitionen mit Beteiligungen von Unternehmen aus der Volksrepublik in Europa, doch macht sich der Negativtrend dadurch nur um so stärker bemerkbar. Nur noch 500 Millionen Dollar investierten chinesische Firmen in Unternehmenskäufe oder ~beteiligungen in den ersten sechs Monaten des Jahres 2019, während im ersten Halbjahr 2018 das Investitionsvolumen noch knapp über 10 Milliarden Dollar betragen hatte.
Weshalb agieren die Investoren aus Fernost so zurückhaltend bei M&A Transaktionen?
Eigentlich müsste die Stimmung auf den europäischen M&A – Markt vorzüglich sein. Niedrige Zinsen laden zu weitreichenden Investitionen geradezu ein. Yi Sun, ihres Zeichens Leiterin der China Business Services für den deutschsprachigen Raum bei Ernst & Young ist hingegen skeptisch: „Der Hauptgrund für die Zurückhaltung der chinesischen Investoren ist die Situation auf dem Heimatmarkt: Die konjunkturelle Lage in China ist schwierig, die Unsicherheit groß – nicht zuletzt aufgrund des US-chinesischen Handelskonflikts“. Auch haben Investoren aus China in den vergangenen Jahren großflächig Anteile oder gar komplett deutsche Firmen übernommen. Diese Deals haben den Markt erst einmal gesättigt. Bezüglich neuerer Transaktionen möchten die Geldgeber aus dem Reich dem Mitte die weitere Entwicklung abwarten.
Gibt es denn keinen Silberstreifen am Horizont?
Trotz der alarmierenden Zahlen dürfte man nicht kurzfristig in Panik verfallen. Zum einen ist das Konjunkturjahr noch nicht vorüber – tendenziell werden in der zweiten Jahreshälfte verstärkt Deals abgeschlossen – und zum anderen finden nach wie vor bedeutende Unternehmenskäufe aus China am europäischen und deutschen M&A – Markt statt.
So stieg chinesische Evergrande-Konzern in Schweden mit ca. zwei Milliarden Dollar zum Jahresanfang 2019 beim Elektroauto Start-up NEVS ein und übernahm dadurch kurzerhand mit 51 Prozent der Unternehmensanteile die Mehrheit. In Deutschland sicherte sich der Kupfermagnat Zhejiang Hailiang einzelne Geschäftssparten des Kupferproduzenten KME aus Osnabrück durch Investitionen in Höhe von 136 Millionen Dollar.
Ebenso ist das weltweite M&A – Geschäft von der chinesischen Rückhaltung betroffen; der Datenanbieter Refinitiv beziffert das globale Minus bei den Transaktionsvolumina bis August 2019 gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 15 Prozent. Dies bedeutet nun für die Investmentbanken weniger Gebühren und somit Boni, da immer weniger Beratungsleistungen ihrerseits erforderlich sind.
Dadurch dass die chinesische Regierung im Handelskrieg mit den USA vor allem mit einer Abwertung der eigenen Währung reagiert, findet bei den Geldgebern aus der Volksrepublik eine starke Selektion bezüglich möglicher M&A-Deals statt. Tracy Wut, M&A-Expertin für China und Hongkong bei der zweitgrößten Kanzlei der Welt, Baker McKenzie, vertritt die Ansicht, dass chinesische Manager verstärkt Investitionen im nahe gelegenen asiatischen Raum anstreben. Allerdings müssten sie hierbei stets die unsichere politische oder wirtschaftliche Lage in Betracht ziehen, weshalb der europäische M&A-Markt niemals ganz aus dem Blickwinkel der chinesischen Investmentunternehmen fallen wird.
Comments are closed.